Abbildung: Josef Nöbauer: … nicht beendete Reise (Detail 1), 2025, Installation: überarbeiteter Spielzeugzug, verschiedene Materialien, variable Maße (Josef Nöbauer)

Braunau am Inn (OÖ)
INN Grenzgängen
5. April bis 1. Juni 2025
Kunstraum VALENTINUM
Poststallgasse 4
A-5280 Braunau am Inn
Fr: 17:00 – 19:00 Uhr
Sa: 17:00 – 19:00 Uhr
So: 17:00 – 19:00 Uhr
Künstler: Josef Nöbauer
Kurat: Alexandra Vierlinger
Eintritt frei

Kunst
… nicht beendete Reise
Josef Nöbauer, geboren 1944 in Freistadt, lebt und arbeitet in Wien. Als „Realist des Imaginären“ bezeichnet ihn Sylvia Eiblmayr in ihrem Buch „Josef Nöbauer. 1968 bis 2018… plus“. Zwei frühe prägende Jahre war Josef ein „Wiener Sängerknabe“. Die Liebe zur Musik begleitet ihn bis heute, er singt Bass im Chor „Cantores Caroli“ der Karlskirche in Wien.
Doch die großen internationalen Opernhäuser wie das Chicago Opera House machten nicht nur akustisch, sondern auch architektonisch Eindruck auf den jungen Josef Nöbauer. Faszination üben auf ihn auch Automobile, Züge, technische Geräte aber auch Steine, Bäume und Alltagsgegenstände aus. Und: die Geschichte und deren Erfinder sowie die Künstler, die sich mit diesen Materien auseinandersetzten (z.B. Richard Artschwager oder Ed Ruscha).
In seiner Studienzeit 1965-69 an der Akademie der Künste in Wien unter Max Weiler formte sich Nöbauers Freigeist. Erste Werke sind aktionistisch; sie setzen sich provokant mit gesellschaftlicher Disziplinierung und religiösen Konventionen auseinander, geprägt durch die ‘68-iger.
Josef Nöbauer arbeitete als Lehrbeauftragter an der Akademie unter Max Weiler (1973–77) und Arnulf Rainer (1981–82). Einzel- sowie Gruppenausstellungen waren in Wien, Linz, Basel, Berlin, Rom, New York und weiteren Städten international zu sehen.
Nöbauers künstlerische Arbeiten haben Tiefe, Körper im Materiellen, sind nicht flach. Auf MDF-Platten, Papier oder Karton werden direkt abstrakte Farbkompositionen aufgetragen, z. B. mit Sand und Acryl. Darauf werden mit Bleistiften ausgeführte Abbildungen von Text, Mensch oder Architektur appliziert, im „hyperrealistischen Stil“ Nöbauers. Die collagenartigen Mixed Media Arbeiten sind oft von transparenten Plexiglashauben umgeben.
Kern der 15 Meter langen Installation von INN Grenzgängen ist ein Zug mit vielen Wagons, ein jeder vom Künstler gestaltet, gezogen von der „Big Boy Lokomotive“. Das bewegte, stetig laufende und doch fragile Kunstwerk hält uns einen Spiegel der Zeiten und unserer Gesellschaft vor. Wohin geht die Reise? Der Zug pendelt vom imaginären Bahnhof – dieser enthält zusammengetragene Elemente aus aller Welt – durch die bildnerische Darstellung der Anfangstakte des „Te Deum“ von Anton Bruckner (der dieses als den „Stolz seines Lebens“ bezeichnete) – zu einer offenen Scheibe „INN Grenzgängen“, mit den Parametern Einst – Jetzt – Zukunft.
Gefangen in der Pendelbewegung, vermag der Betrachter verbINNdungen zu erspüren.
Alexandra Vierlinger, Josef Nöbauer

Geschichte
Es begann in Madrid.
Der kinderlose König Karl II., Letzter der spanisch-habsburgischen Linie, hatte testamentarisch verfügt, dass der kleine wittelsbachische Kurprinz Josef Ferdinand, Sohn des „Blauen Kurfürsten“ Max II. Emanuel, Herrscher über Spanien samt seiner Kolonien werden sollte. England und die Niederlande bejahten dies, da so Ambitionen der Habsburger und Bourbonen in Europa und Amerika beschränkt wurden.
Doch dann starb der bayerische Kurprinz 1699 mit sechs Jahren. Karl II. setzte, Wochen vor seinem Tod 1700, Frankreich in die Thronfolge ein. Österreich akzeptierte das nicht. 1701 begann der Spanische Erbfolgekrieg, der bis 1714 dauern und auch Inn-Baiern betreffen sollte.
Kurfürst Max Emanuel verbündete sich mit Frankreichs Sonnenkönig Ludwig XIV. gegen Österreich, das sich wiederum mit Preußen und England zusammentat. Als in der Zweiten Schlacht von Höchstädt 1704 die französisch-bayerischen Truppen besiegt wurden, mussten sie ganz Bayern räumen; der Kurfürst ging ins Exil nach Frankreich.
Der Habsburger Kaiser Joseph I. nutzte 1705 das Machtvakuum in Bayern mit dem Innviertel, um das Land zu besetzen und massiv Steuern eintreiben sowie Zwangsrekrutierungen durchführen zu lassen. Es kam zum Widerstand.
„Lieber bairisch sterben,
als kaiserlich verderben.“
Bevölkerungsteile in Ober- und Niederbayern sowie dem Innviertel formierten sich gegen die kaiserliche Administration. Viele kaiserlich besetzte Städte wurden erobert, auch Braunau. Am 21. Dezember 1705 trafen sich hier in einem Gasthof Stände-Vertreter (Bauern, Bürger, Klerus, Adel) mit gleichem Stimm- und Rederecht. Sie kamen aus verschiedenen Rentamtsgerichten (Verwaltungseinheiten) Inn-Baierns.
Der Landesdefensionskongress sollte bis 17. Januar 1706 bestehen, der Kapitulation von Braunau nach der Niederlage Aufständischer bei Aidenbach. Bis dahin war „das erste demokratische Gebilde des neuzeitlichen Europa, die sogenannte Gmein der Bürger und Bauern“ (Wikipedia, Schlacht von Aidenbach) wirksam.
Braunauer Parlament und Mordweihnacht
In der ersten Sitzung – öffentlich, unter parlamentarischer Struktur – wurde eine Aufstellung von Truppen aus der baierischen Inn-Region geplant. Mittels Vereinigung dieser Truppen mit Kräften aus dem bayerischen Oberland sollte nicht weniger als die Einnahme Münchens stattfinden. Waffen dafür kamen aus eroberten Städten und militärisches Know-how durch darin kundige Adlige.
Doch die Oberländer waren relativ schwach aufgestellt und schlecht organisiert. Das geplante Treffen scheiterte. Nach einem (angeblichen) Verrat war die Situation der Oberländer bei München ausweglos; viele flohen in Richtung Obersendling, ergaben sich – und wurden, wehrlos, von kaiserlichen Truppen massakriert: die Sendlinger Mordweihnacht, am 24./25. Dezember 1705.
Ende und Folgen
Österreich befürchtete eine Ausbreitung des Aufstands nach Osten über Böhmen bis nach Ungarn und griff flächig militärisch durch. Anfang Januar 1706 gab Burghausen als letzte Stadt des Widerstands auf. Anführer der Erhebung und auch viele Mitglieder des Braunauer Parlaments wurden gesucht, gefangen und hingerichtet. Was folgte? Im Exil billigte Kurfürst Max Emanuel den Aufstand keineswegs und zeigte, ganz Kind seiner Zeit, Verständnis für das „Durchgreifen“ der Kaiserlichen.
Als er 1715 wieder in die Residenzstadt München kam, wurde er freudig vom Volk begrüßt und setzte seine für zwölf Jahre unterbrochene Regierung fort. Auf europäischer Ebene wurde das spanische Erbe moderat aufgeteilt. Die Bourbonen erhielten (und behielten, bis heute) Spaniens Thron. Und 1789 gab es die Französische Revolution.
Grenzgänge
Ob bereits in der Bayerischen Volkserhebung 1705/06, zumindest implizit, die entscheidende Systemfrage gestellt wurde, bleibt offen. Offen bleibt freilich auch die Zukunft unseres heute etablierten politischen Systems, der Demokratie. 320 Jahre nach den frühdemokratischen Grenzgängen in Braunau, lotet der Künstler Josef Nöbauer in der Geburtsstadt eines Diktators aus, was Geschichte bedeutet. (AS)


Geschichte: Ein Parla-ment von früher
Vor langer Zeit hat es
das erste Parlament in Bayern ge-geben:
in der Stadt Braunau am Inn.
Früher hat Braunau zu Bayern gehört.
Heute ge-hört Braunau zu Österreich.
Damals hat es Krieg ge-geben.
Bayern und Öster-reich sind Feinde gewesen.
Österreich hat Bayern be-siegt.
Dann waren in Bayern: Soldaten von Öster-reich.
Der Herrscher von Österreich hat ge-wollt:
Viele Bauern und Bürger in Bayern
müssen auch Soldaten werden, für Öster-reich!
Das wollten viele Bauern und Bürger nicht!
Sie haben die Soldaten von Österreich be-kämpft.
Die Bauern und Bürger haben auch:
ein Parlament ge-macht, in Braunau.
Der Herrscher von Öster-reich
hat das Parlament in Braunau ver-boten.
Er hat die Bauern und Bürger hart be-straft.
Kunst: Wohin geht die Reise?
In Braunau zeigt der Künstler Josef Nöbauer
in dem Kunst-raum Valentinum ein Kunst-werk:
Eine kleine Eisen-bahn, die herum fährt.
Josef Nöbauer möchte damit sagen:
Wohin geht die Reise?
Kein Mensch kennt die Zukunft …